Rücktritt des Verbandsfußballwartes per 31.Januar 2013

Liebe Spartenkollegen, liebe Mailempfänger,

es ist mir bestimmt nicht leichtgefallen, diese Entscheidung, die sich hauptsächlich wegen der gesundheitlichen Probleme anbahnte, nach langem inneren Kampf und etlichen durchwachten Nächten endgültig zu fällen.

Ich trete mit Wirkung zum 31.Januar 2013 als Euer Verbandsfachwart zurück.

Ich hatte ja bereits am 14.12.12 meinen Rücktritt angekündigt und hierin geschrieben, daß ich den Zeitpunkt mit der Spartenleitung Ende Januar 2013 besprechen wolle. In den letzten Tagen und Nächten bin ich jedoch zur Erkenntnis gelangt, daß erstens meine eigene Gesundheit Vorrang hat vor irgendwelchen Verbandsinteressen und zweitens ein schneller Rücktritt im Hinblick auf die EM 2015 sinnvoll ist, um den Weg für eine neue Spartenleitung freizumachen.

Wer mich kennt, weiß, daß ich etwas 100%ig mache, wenn ich die Aufgabe annehme. Für „halbe Sachen“ bin ich nicht zu haben. Entsprechend habe ich auch die Verantwortung für die DGS-Sparte Fußball sehr ernst genommen – vielleicht zu ernst. Dies führte dazu, daß nur die Schreibtisch-Arbeitszeit für den Verband meist über 30 Stunden in der Woche lag mit den gesundheitlichen negativen Folgen. Die Sparte wurde zum Beruf – als Ehrenamt konnte man es nicht mehr bezeichnen. In meinem Kopf war nur noch Fußball – das Private hatte darunter zu leiden.

Es war günstig für die Sparte im Oktober 2010 und ein Glücksfall, einen Berufsunfähigkeitsrentner wie mich für die Leitung zu gewinnen. Je länger ich den Job jedoch machte, umso mehr wurde mir bewußt, daß ich – aber auch die Sparte – hiermit in eine gefährliche Situation geraten war. Man gewöhnt sich daran, daß der Fachwart Guido diesen Zeitaufwand erbringen kann und hält dies für selbstverständlich – denkt aber nicht an die Zeit nach mir oder wenn ich ausfalle. Je länger ich also Fachwart wäre, umso schwieriger wird es für einen Nachfolger, da dieser doch an mir gemessen wird. Je länger ich geblieben wäre, umso abhängiger wäre die Sparte von mir geworden. Es heißt ja „kein Mensch ist unersetzlich“ – bitte begreift meinen Rücktritt also als Chance für einen Neuanfang, um die Strukturen und Aufteilungen so zu ändern, daß ein Nachfolger gefunden werden kann. Die Einrichtung der Verwaltungsstelle im Oktober 2010 hat nicht ausgereicht. Ich betone ausdrücklich : Dies ist kein Vorwurf an Dieter Wickert. Er ist auch nur ein Mensch, der in erster Linie Familie und Beruf hat. Ich selbst mache mir heute den Vorwurf, daß ich die geschilderten Risiken nicht VOR der Wahl in München erkannt habe.

Es ist wirklich ein zeitlicher Zufall, daß der Rücktritt fast gleichzeitig mit der Diskussion Futsal/Hallen-fußball erfolgt. Das eine hat mit dem anderen jedoch nichts zu tuen.

Vielmehr haben folgende Punkte mich darin bestärkt, daß es sich einfach nicht mehr lohnt, meine Gesundheit für die Verbandsarbeit auf`s Spiel zu setzen :
1) Mitgliederschwund, verstärkt durch die Inklusion. Hierunter werden die Mannschaftssportarten stärker leiden als die Einzelsportarten – es ist auch nur eine Frage der Zeit, wann die bislang wenig betroffenen Bundesländer NRW, Bayern und BaWü die Auswirkungen der Inklusion voll zu spüren bekommen. Also – miserable Zukunftsaussichten und fehlende Perspektiven.
2) Stark ausgeprägter Länderegoismus. Gerade in den schweren Zeiten des Gehörlosensports sollte man eigentlich glauben, daß die GL in Deutschland nach dem Motto „Einigkeit macht stark“ zusammenhalten und den GL-Sport in Deutschland als Ganzes im Auge halten. Die gemachten Erfahrungen mit vielen Landessportpräsidenten und Lfw´s sind jedoch genau das Gegenteil – jeder achtet ängstlich darauf, daß sein Machtbereich nicht eingeschränkt wird. Diese Einstellung ist auch historisch bedingt, behindert jedoch die aufgrund der in Pkt.1) geschilderten Entwicklung unbedingt erforderlichen Modusänderungen und Strukturanpassungen in unserer Sparte. Folge : Die Vereine in den kleinen Bundesländern/Regionen sterben aus. Von dem DGS-Präsidium ist in diesem Punkt keine Hilfe zu erwarten, da viele selbst gleichzeitig Landesvertreter sind und die Länder jede erforderliche Neustrukturierung mit ihrer ungerecht hohen Stimmrechtsübermacht verhindern. Als Verbandsfachwart hat man da keine Chance.
3) Fehlende Gestaltungsmöglichkeiten der Fußballsparte innerhalb des DGS. Wir haben mit unseren 2.223 Fußballern etwa ein Viertel aller DGS-Mitglieder. Bei den Verbandstagen durften wir bis zur letzten Tagung in Duisburg in 11/2012 keine Anträge stellen und haben nur 1 Stimme, genauso viel wie die Radsportsparte mit ihren 22 (!!) Mitgliedern. Die Länder NRW und Bayern haben je-weils gesamt 1.887 bzw. 1.952 Mitglieder, also weniger als unsere Sparte – beim Verbandstag jedoch jeweils 9 Stimmen. Es ist o.k., wenn wir beim Behindertensport einem Mehrspartenver-band angehören – ein derart krasses Mißverhältnis bei den Stimmen widerspricht meinem Gerechtigkeitsempfinden jedoch total. Auch hier ist wegen der in der Satzung zementierten Macht der Länder keine Änderung zu erwarten. Man fühlt sich hier als Fußballwart fremdbe-stimmt.
4) Motivierungsprobleme. Für mich war der Einbau und die Förderung von jüngeren Mitarbeitern in die Spartenleitung sowie die offene „Personalführung“ ein Herzensanliegen. Da ich Realist bin – andere würden vielleicht Schwarzmaler sagen – und für den Gehörlosensport keine Zukunftsper-spektiven sehe, habe ich inzwischen Probleme, die Jüngeren zu motivieren. Wie soll ich Mitar-beiter anspornen, wenn ich selbst von der Zukunft des Gehörlosensports nicht überzeugt bin und die Strukturen und die Leitung beim DGS sehr kritisch sehe. Ich bin dafür einfach zu ehrlich und offen. Ein Chef, der jedoch seine Mitarbeiter nicht mehr überzeugen und mitreißen kann, ist ein schlechter Chef und muß ausgewechselt werden.

Rückbetrachtung:
Es war wirklich schön, in der DGS-Fußballsparte mitzuarbeiten. Trotz allem Streß hat mir die Arbeit großteils Spaß gemacht, wofür ich allen, die mit mir zusammengearbeitet haben, herzlich danke.
Die schönste Zeit war jedoch diejenige als Techn. Leiter Jugend in den 1998-2008, da ich mich damals auf die geliebte Jugendarbeit konzentrieren konnte, es noch ausreichend Nachwuchs gab und der Arbeits-umfang nur ein Bruchteil vom jetzigen war. Auch hatte ich damals nicht den tiefen Einblick in die Ver-bandsarbeit und die Inklusion sowie den Mitgliederschwund gab`s noch nicht.
Schwerpunkte meiner Arbeit als Verbandsfachwart ab Oktober 2010 war von Anfang an, die Strukturen an die geringere Vereins- und Mitgliederzahlen anzupassen und erforderliche Modusänderungen in Angriff zu nehmen. Die Eingliederung der Regionen Nord, Ost und Südwest ist gelungen – weitere notwendige Änderungen werden jedoch von den großen Ländern NRW, Bayern und BaWü blockiert – siehe hierzu Pkt. 2) oben. Auch die dringend erforderliche Modusänderung beim Großfeldfußball scheitert hieran. Diese Arbeiten konnte ich daher leider nicht beenden.
Es würde zu weit führen, alle weiteren Tätigkeiten und vorgenommene Änderungen aufzuführen.
Im Nachhinein muß ich eingestehen, daß ich aufgrund meines ausgeprägten Gerechtigkeitsdenkens und Demokratieverständnis, den wohl zu hohen Moralvorstellungen sowie dem Hang zum Perfektionismus vielleicht doch nicht der richtige Mann für den Posten als Verbandsfachwart war.

Warum Rücktritt per 31.Januar 2013 ?
Die DG-Hallenfußballmeisterschaft am 26.1.2013 werde ich noch mitorganisieren, da ich hier bei den Vorbereitungen eingebunden bin. Ich möchte dies auch nutzen, um mich bei den Spartenkollegen ganz herzlich für die Mitarbeit zu bedanken und persönlich zu verabschieden.

Vielen Dank nochmals für die schöne Zeit bei der DGS-Sparte Fußball. Bitte versucht nicht, mich umzustimmen, sondern akzeptiert, daß ich in erster Linie an meine Gesundheit und mich denken muß.

Es würde mich echt freuen, wenn schnell ein Nachfolger gefunden wird, der die DGS-Sparte Fußball mit frischer Energie und Optimismus in die nächsten Jahre führt sowie mit seiner Spartenleitungs-Mann-schaft zum Gelingen der EM 2015 beiträgt.

Den Spartenkollegen, den zahlreichen Sportsfreunden, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, dem Präsidium und den Mitarbeitern der DGS-Geschäftsleitung wünsche ich dann noch ein besinnliches frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein hoffentlich erfolgreiches Sportjahr 2013.

Mit freundlichen Grüßen

Guido Zimmermann
Verbandsfachwart der
DGS-Sparte Fußball